Wir sind hier auf dem CloudFest Hackathon 2025. Alain, du bist einer der Projekt-Mentoren des Hackathons, was genau ist deine Rolle?
Alain Schlesser: Ja, ich bin einer der Projekt-Mentoren und zuständig dafür, im Vorfeld die am besten passenden Projekte für den Hackathon auszusuchen. Während des Events unterstütze ich zusammen mit den beiden anderen Projekt-Mentoren Lucas und Thierry die Projekte, wo es geht. Ich helfe, Blocker aus dem Weg zu räumen. Ich kann auch eine externe Meinung beitragen, wenn das Projektteam zum Beispiel nicht weiß, in welche Richtung es weiterarbeiten soll.
Allgemein geht es darum, die Projekte zu betreuen und dafür zu sorgen, dass sie schnellstmöglich zu einem erfolgreichen Resultat kommen.
Wie bist du zu dieser Rolle gekommen? Du bist ja selbst Entwickler?
Alain Schlesser: Ich bin selbst Entwickler und schon seit vielen Jahren beim CloudFest Hackathon dabei. Ich habe schon selbst Projekte eingereicht und irgendwann ist dann die Idee entstanden, dass der Hackathon ein Team haben sollte, das dafür sorgt, dass die Projekte nicht einfach auftauchen, sondern dass die Projekte schon im Voraus bestmöglich für den Hackathon vorbereitet sein sollten, damit sie Erfolg haben können.
Da fragte man mich, ob ich eine dieser Mentoren-Rollen übernehmen möchte. Ich glaube, wir (das Project Support Team) machen das jetzt im vierten Jahr in dieser Rolle. Und von Jahr zu Jahr bekommen wir eine immer bessere Vorstellung davon, wie ein erfolgreiches Projekt aussehen sollte. Wir sorgen dafür, dass diejenigen, die die Ideen einreichen, bestmöglich auf das vorbereitet sind, was sie hier erwartet. Denn wir möchten, dass die Projekt-Leads hier auf dem CloudFest Hackathon so viel wie möglich für ihr Projekt herausholen.
Du sagst, dass man Projekte einreichen kann. Wie funktioniert das genau? Gibt es bestimmte Voraussetzungen?
Alain Schlesser: Im Herbst des Vorjahres gibt es einen Call for Projects. Da kann man ein Projekt pitchen. Es gibt dafür keine spezifischen Voraussetzungen. Jeder kann da ein Projekt vorschlagen. Und wir sammeln dann diese Projekt-Pitches und kontaktieren dann diejenigen, die ihre Ideen eingereicht haben (die Projekt-Leads) und diskutieren mit ihnen das Projekt. Dabei geht es dann zum Beispiel darum, wie wir den Projektvorschlag verfeinern können? Manchmal versuchen wir auch noch Co-Leads hinzuzufügen, um den Projekt-Leads komplementäre Skill-Sets hinzuzufügen. Das ist ein fortwährender Prozess bis zum Event hin, wo wir die Submissions (Projektideen), die wir erhalten haben, verfeinern, unsere Auswahl treffen und dann für diese Auswahl, diejenigen Attendees einladen, die zu den Projekten, die wir angenommen haben, passen.
Das beantwortet schon fast meine nächste Frage: Wie findet die Auswahl der Attendees und der Projekte statt?
Alain Schlesser: Wir sammeln auch Applications. Die Bewerbung als Attendee ist ganz einfach, man kann sich einfach als Attendee registrieren. Man schreibt eine Application, das ist ein Formular das man ausfüllen kann, wenn man beim CloudFest Hackathon mitmachen möchte. Man muss da eine ganze Reihe von Fragen beantworten unter anderem: In welchen Open Source Communities ist man schon unterwegs? Was ist die Motivation und warum möchte man hier mitmachen? Welche Skill-Sets kann man anbieten? Etc.
Wenn wir nach und nach die Projekte herausgefiltert haben, die wir auf dem Hackathon bearbeiten wollen, sehen wir auch, welche Skill-Sets dafür benötigt werden und auf welche wir einen Fokus legen müssen.
Die Attendees werden dann in mehreren Wellen eingeladen. Die bekommen von uns einen Invite, wobei diese Invites dann an die entsprechenden Projekte angepasst sind.
Wenn man als Attendee hier eingeladen wird, dann ist das so, dass das Hotel inkl. Verpflegung bezahlt wird. Man kann dann hier hinkommen und in den drei Tagen seine Skill-Sets in den Dienst eines Projekts stellen, also mithelfen, dieses Projekt umzusetzen.
Das heißt, man kann sich schon vorher als Attendee anmelden und wird dann praktisch einem Projekt zugewiesen oder kann man als Attendee auch für ein Projekt voten?
Alain Schlesser: Nein, man wird nicht zugewiesen, sondern wenn man die Application ausgefüllt hat, wird man eingeladen. Am Anfang des Events werden dann alle Projekte von den entsprechenden Projekt-Leads einmal vorgestellt. Die Projekt-Leads machen dann sozusagen einen Sales-Pitch, um ihr Projekt „zu verkaufen“. Danach können sich die einzelnen Attendees auf die Projekte verteilen. Sie können sich das Projekt aussuchen, dass ihnen am besten gefällt. Auf der Webseite wurden die Projekte natürlich schon vorgestellt. Viele haben schon eine konkrete Idee, bei welchem Projekt sie mitmachen wollen. Aber manche kommen auch einfach hier hin und lassen sich erst mal alle Projekte vorstellen. Sie bekommen dann auch ein Gefühl dafür, wer die Projektleiter sind und entscheiden erst dann, bei welchem Projekt sie mitmachen möchten.
Das heißt: Als Projekt-Lead kann man mit seinem Projekt auch noch an dem Tag durchfallen, an dem die Sales-Pitches stattfinden? Oder stehen die Projekte an diesem Tag schon fest?
Alain Schlesser: Wenn es an dem Tag selbst ein Projekt geben sollte, an dem niemand interessiert ist, dann haben wir als Projekt-Mentoren versagt. Dann haben wir unsere Rolle nicht richtig ausgefüllt. Denn das Ziel ist es, dass die Projekte sehr divers sind. Es sollte für jeden etwas dabei sein. Wir achten darauf, dass alle Projekte in etwa gleich stark und gleich interessant sind und sorgen dafür, dass die Skill-Sets dann entsprechend verteilt werden.
Dieses Jahr war es zum Beispiel ein toller Erfolg, dass sich die Leute innerhalb von 5 Minuten auf ganz natürliche Art und Weise auf die 10 Projekte verteilt haben. Es gab lediglich ein Projekt, dass zuerst 2 – 3 Personen zu viel hatte. Da haben wir dann gefragt, ob sich einige vielleicht noch umentscheiden könnten. Einige hatten kein Problem damit, bei einem anderen Projekt mitzumachen. Das hat dann dafür gesorgt, dass diese beiden Projekte sogar eine engere Kollaboration während des ganzen Events hatten.
Dieses Jahr hat alles perfekt gepasst. Aber wenn es nicht passen sollte, dann war halt unsere Vorbereitung nicht gut genug.
Was waren die Top-Themen in diesem Jahr?
Alain Schlesser: Ein Top-Thema ist natürlich AI. Wir haben aber auch zwei Accessibility-Projekte auf dem Hackathon gehabt, denn Accessibility ist auch ein großes Thema. Und dann gab es auch Projekte zu übergreifender Funktionalität, wo man Ressourcen nutzt und etwas baut, dass dann z.B. nicht spezifisch für ein Content Management System (CMS) entwickelt wird, sondern das CMS-übergreifend ein Problem löst. Wir hatten dieses Mal drei Projekte, die jeweils ein Problem so lösen wollen, dass es alle CMS gleichzeitig nutzen können.
Werden diese Projekte während des Hackathons abgeschlossen oder gibt es auch Projekte, die danach weitergeführt werden?
Alain Schlesser: Idealerweise ist das hier der Startschuss für eine neue faszinierende Idee. Die wird danach weiterleben. Das passiert manchmal, aber nicht immer. Das Hauptproblem dabei ist, dass man hier die Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommt, um aktiv an dem Projekt zu arbeiten und nach dem Hackathon fallen diese Ressourcen dann wieder weg. Dann ist es von den Projekt-Leads abhängig, dass sie weiter daran arbeiten.
Wir versuchen ständig, uns bessere Methoden zu überlegen, wie wir einen länger währenden Erfolg für Projekte gewährleisten können, sodass die Chancen steigen, dass die Projekte später noch einen Fortbestand haben – auch nach dem CloudFest Hackathon. Aber das ist ein schwieriges Problem. Wenn niemand Ressourcen bereitstellt und niemand für die Zeit bezahlt, dann ist es schwierig.
Idealerweise sind die Projekte so aufgebaut, dass man mit bestimmten Firmen, mit Sponsoren, im Anschluss an den Hackathon Kooperationen diskutieren kann.
„Wollt ihr etwas investieren, damit das weiter wachsen kann?“
Aber das ist ein schwieriges Thema. Aber das ist ein Thema, über das wir uns gerade am meisten Gedanken machen, wie wir das verbessern können.
Das wäre meine nächste Frage gewesen: Wie ist der Zugang zu Investoren? Gibt es schon Kooperationen zu einzelnen Projekten?
Alain Schlesser: Die Grundidee bei diesem Hackathon ist, dass wir die Businesswelt und die Open-Source-Community zusammen an einen Tisch bringen. Wir haben Sponsoren, die kaufen sogenannte Support-Packages. Diese umfassen eine bestimmte Anzahl an Teilnehmern. Man kauft zum Beispiel ein Package, mit dem man 6 Personen aus dem eigenen Unternehmen zum Event schicken kann und für jede Person, die man schickt, zahlt man auch für die Kosten für die gleiche Anzahl an Attendees aus der Open-Source-Community. Das heißt: für ein 6-Personen-Package kann man dann 6 Personen aus dem eigenen Unternehmen bringen und man zahlt auch für 6 Personen aus der Open-Source-Community. Insgesamt verteilen sich die Teilnehmer:innen des Hackathons zu ungefähr 50% auf die Open-Source Community und zu 50% auf die Business-Welt. Das soll den Dialog starten und Networking ermöglichen. Denn oft sind Open Source und Business zwei separate Welten. Wir tun unser Bestes, um diese beiden Welten hier zusammen an einen Tisch zu bringen.
Die Investoren hier sind dann schon integriert. Tatsächlich haben wir mehr Sponsoren, als wir annehmen können. Wir treffen eine Auswahl. Da geht es nicht darum, so viel Geld wie möglich zu sammeln. Wir wollen Sponsoren, die im CloudFest Hackathon nicht nur eine Marketing-Opportunity sehen, sondern die hier wirklich aktiv involviert sind, die aktiv an etwas mitarbeiten wollen, weil sie daran ein leidenschaftliches Interesse haben oder weil das Projekt für sie ein konkretes Problem löst. Und das erhöht die Chancen, dass das Projekt auch weitergeführt wird.
Vielen Dank Alain, für den Überblick. Noch eine letzte Frage. Du hast AI erwähnt. Wie setzt du selbst AI ein?
Alain Schlesser: Oh, ich setze AI selbst sehr viel ein. Einerseits muss ich da immer auf dem neuesten Stand sein, denn in meiner Rolle berate ich andere Firmen, wie man AI produktiv nutzen kann.
Persönlich nutze ich AI bei allem, was ich tue, um mich auf die Denkarbeit bzw. die Problemlösung fokussieren zu können. Alles, was drum herum ist, kann mit AI wegautomatisiert werden. Wenn ich zum Beispiel als Engineer mit einem Team arbeite und wir uns eine neuartige Herangehensweise überlegen, dann baue ich dafür schnell einen Proof-of-Concept. Mein Part ist es, dass ich das Problem, die Denkarbeit löse und die ganze Tipp-Arbeit übernimmt die AI.
Mittlerweile habe ich einen Proof-of-Concept in einer halben Stunde zusammengesetzt. Es ist noch nicht einmal interessant, in welcher Programmiersprache das schlussendlich passiert. Weil man damit wenig zu tun hat, solange es nicht um langlebigen Code geht, bei dem man die Maintenance mit in Betracht ziehen muss. Wenn es einfach nur um einen Proof-of-Concept geht, da hat man mit dem eigentlichen Code nichts mehr zu tun. Da kann man einfach die Denkarbeit lösen und die Umsetzung überlässt man dann der AI.
Mittlerweile denke ich in externen Teams und einem internen Team. Ich habe mein eigenes internes Team mit einigen Junior-AI-Mitarbeitern. Ich konzentriere mich auf eine klare Kommunikation: Was muss gelöst werden? Ich setzte Richtlinien, ich setze die Regeln und dann lasse ich die AI arbeiten. Wenn etwas nicht klappt, dann liegt es halt an meiner Kommunikation, die nicht klar genug war. Und das hilft mir insgesamt auch als Teamleiter, immer noch besser zu werden. Oft ist es so, dass die Probleme, die man sieht, mit diesen Agentensystemen, wie man sie heutzutage nutzt, ähnliche Probleme sind, wie man sie hat, wenn man ein unerfahrenes Team leitet. Man muss mit der Kommunikation so klar wie möglich sein und viel dokumentieren, Tools einsetzen, die früh erkennen, wenn etwas entgleist. Das ist mittlerweile extern und intern nützlich.